Distanz – Der Zusammenhang zwischen zu großer Nähe und emotionaler Abhängigkeit und ein Schritt zu mir selbst

 

Manchmal sind wir zu nah dran. Zu sehr verstrickt, zu sehr gefangen im Mitfühlen, Mitleiden, Mitverantworten. Besonders im Kontakt mit einem Suchtkranken verschwimmen die Grenzen schnell: Wo endet meine Sorge – und wo beginnt seine Verantwortung?

 

Diese zu große Nähe kann uns unmerklich in eine emotionale Abhängigkeit führen. Wir leben im ständigen Mitfühlen, Warten, Hoffen. Wir richten unsere Stimmung nach dem Verhalten des anderen aus – und irgendwann dreht sich unser eigenes Leben um die Sucht. Je näher wir rücken, desto stärker verlieren wir oft den Kontakt zu uns selbst.

 

Distanz heißt z.B. auch Zurückhaltung – nicht jedes Wort muss gesagt, nicht jede Krise sofort gelöst werden. Es bedeutet, die emotionale Entfernung zu erhöhen, wenn es  zu schmerzhaft wird. Nur so entsteht Raum für Unabhängigkeit statt emotionaler Abhängigkeit.

 

Distanz ist dann kein Zeichen von Kälte, sondern von Klarheit. Sie ist ein bewusst gesetzter Schritt zurück, um wieder klarer sehen zu können. 

Distanz kann vieles bedeuten:

▪︎ räumlich Abstand nehmen (um Luft zu holen)

▪︎ Zurückhaltung , statt immer sofort zu reagieren

▪︎ Grenzen ziehen, die Klarheit und Sicherheit geben

▪︎ Nein sagen 

▪︎ die eigene Überforderung erkennen, bevor sie uns lähmt

 

Denn Nähe ohne Grenzen kann uns selbst krank machen. Erst mit etwas Abstand besteht die Möglichkeit, um eigene Emotionen zu spüren – nicht die des anderen (meinen zu spüren). Nur mit Abstand, mit Distanz können wir wieder wahrnehmen, was uns bewegt, was uns guttut, was wir brauchen.

Der Wunsch zu helfen wird schnell zu einem festen Muster: Wir übernehmen Verantwortung, die nicht unsere ist . Wir vergessen dabei oft, dass echte Hilfe nicht darin besteht, den anderen zu "retten", sondern ihm seine Verantwortung zu lassen – und unsere eigene zurückzunehmen.

 

Distanz zum Suchtkranken kann unterschiedliche Formen haben. 

Von der Reduzierung des Kontaktes , über die räumliche Trennung bis hin zum (zeitweisen) Kontaktabbruch.

Das ist individuell und veränderbar. 

 

 Aus einem Interview der Barmer Ersatzkasse mit Jens Flassbeck (Psychologe und Psychotherapeut, Schwerpunkt Co-Abhängigkeit)

Viele Betroffene haben wahrscheinlich Angst vor der letzten Konsequenz: der Trennung oder dem Kontaktabbruch zum Süchtigen. Ist dieser Schritt in manchen Fällen notwendig?

Ja, vor allem wenn die Angehörigen aufgrund der Abhängigkeit Opfer von schwerer Gewalt wurden, ist dieser Schritt notwendig. Aber auch in allen anderen Fällen ist der Kontaktabbruch zum Süchtigen eine mögliche Option. Die Angehörigen haben das Recht, darüber gründlich nachzudenken und das eigene Leben, die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Interessen und Sehnsüchte zu erkunden. Eine Therapie (für Angehörige v. Suchtkranken) hat die Funktion, sie in ihrem Selbstwertgefühl, ihrer Eigenverantwortung und Autonomie so zu stärken, dass sie eine gute Entscheidung für sich treffen und sie engagiert in die Tat umsetzen können.

 

Das Bild zeigt, wie sich mit dem richtigen Abstand zum Suchtkranken (hier die Frau) auch die Gedanken verändern. Die "Unwetter und gefährlichen Blitze" treffen den Mann kaum noch. Es ist sogar "helles Leben" in Sicht.

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